Venedig

Der Moloch in der Lagune

Den unvermeidlichen kulturellen Höhepunkt und zugleich anstrengendsten Teil der Reise hat man sich, wie sich das gehört, für den Sonntag aufgehoben. Schon relativ zeitig machen wir uns auf den Weg über die A4 und Padua nach Venedig. Wir kommen überraschend gut voran – von den befürchteten Rückstaus kurz vor der Abfahrt ist nichts zu sehen. Ziel soll die Anlegestelle Fusina mit ausreichenden und vor allem preisgünstigen Parkmöglichkeiten sein, von wo regelmäßig Schnellboote hinüber zur Lagunenstadt verkehren. Von den Parkhäusern direkt am Piazzale Roma im Stadtteil Santa Croce wollen wir aufgrund des enormen Andrangs und der hohen Gebühren (24 €) absehen – ich möchte meinen soeben errungenen Rekordparkzettel noch eine Weile genießen und nicht gleich wieder in die Vergessenheit befördern. Außerdem ist die Fahrt über das Meer immer noch die angemessendste Art, sich einer Insel zu nähern.

Kurz vor dem Ziel ereilt uns jedoch das Schicksal in Form haarsträubender Beschilderungen: Fusina ist auf einmal nirgendwo mehr zu lesen und es geht nach einem falschen Abzweig wieder in die entgegengesetzte Richtung. Ich nehme die erstbeste Ausfahrt und finde mich einige Zeit später mitten im Zentrum des Festlandstadtteils Mestre wieder. Weit und breit sind keine brauchbaren Wegweiser zu finden. Ich suche instinktiv nach der Richtung und entdecke nach einigem verzweifeltem Hin und Her tatsächlich wieder den Ortsnamen Fusina. Es geht vorbei an endlosen Industrie- und Hafenanlagen. Überall liegt Metallschrott herum, doch laut den Schildern sind wir richtig. Endlich am Ende der Straße taucht in Höhe der Mündung des Brentakanals in die Lagune der große Parkplatz auf. Es gibt keinerlei Gedränge, wir zahlen 8 € für den ganzen Tag und auf der anderen Seite am Terminalschalter noch einmal 25 € für die ganze Familie im Vaporetti hin und zurück – nicht billig, aber wir sind in Venedig und daher auf einiges gefasst.

Die Boote gehen stündlich und wir vertreiben uns die Zeit in der benachbarten Bar des Campingplatzes. Verblüffend wenig los hier, da die meisten Tagestouristen schon drüben zu sein scheinen. Direkt am wenig idyllischen Hochkai liegen ein paar unerbittliche Sonnenanbeter auf einem ärmlichen Stück Wiese. Am Horizont ist im Dunstschleier bereits der Campanile von San Marco auszumachen. Um kurz vor eins trifft das Motorboot ein, die Besatzung (topless, gestylt , extra dunkle Sonnenbrillen) wird durch zwei neue Bootsführer (durchtrainiert, Haargel triefend, tiefschwarze Sonnenbrillen) ersetzt und fährt anschließend pünktlich zur vollen Stunde ab. Die Überfahrt bis zum südlichen Ufer des Stadtteils Dorsoduro dauert 25 Minuten – außer uns mit an Bord ca. 92 % US-Amerikaner italienischer Herkunft, ausschließlich beschäftigt mit der Aufzählung der historisch wichtigsten Reiseziele auf dem Apenninenhalbinsel, also San Gimignano und Venedig. Unterwegs passieren wir rechterhand die winzige, fast vollständig von Gestrüpp überwucherte Isola San Georgio in Alga. Anschließend geht es in einem weiten Bogen in den Canale della Giudecca, wo wir gegenüber der gleichnamigen Insel auf halber Strecke an der beliebten Promenade Zattere festmachen.

Angesichts des zur Verfügung stehenden Nachmittags ist klar, dass wir unsere Tour auf das Stadtviertel San Marco beschränken und auch dort auf den zeitraubenden Besuch von Galerien und Museen sowie quälend lange Warteschlangen verzichten werden.

Bereits unmittelbar neben der Anlegestelle prunkt die Chiesa dei Gesuati (1726-36) in weißem Marmorbarock. Wir durchqueren zügig den schmalen Landzipfel und erreichen alsbald den Ponte dell'Accademia (1933), eine einst als Provisorium gedachte imposante Holzbrücke über den südlichen Ausläufer des Canal Grande. Oben herrscht großes Gedränge, denn jeder ist darauf erpicht, ein möglichst makelloses Bild der Palazzi am Kanal und der Basilica di Santa Maria della Salute (1631-87) im Hintergrund zu erzielen: „Oh, it’s so beautiful!“ Die 98,7 % US-Amerikaner asiatischer Herkunft auf der Brücke sind völlig aus dem Häuschen und schwärmen von den anderen sehenswerten italienischen Städten, San Gimignano und Pisa. Allerdings sind die Kuppeldächer komplett von filigranen Gerüsten umgeben, in diesem Fall, wie so häufig, für viele Jahre der Dauerzustand.

Auf dem Campo di San Vidal erreichen wir den zentralen Stadtteil San Marco. Hinter der gleichnamigen, schon seit längerer Zeit nicht mehr für Gottesdienste genutzten Chiesa schließt sich der langgezogene Campo Santo Stefano an, nach der Piazza San Marco der größte öffentliche Platz in Venedig. In der Mitte steht ein Denkmal Niccolò Tommaseos (1802-74), einer seiner Zeit angesehendsten Dichter und Regierungsmitglied bis zum Einmarsch der Österreicher. Um einen richtig schiefen Turm zu bestaunen, muss man nicht bis nach Pisa fahren, denn rechterhand neigt sich der Campanile der Chiesa di San Maurizio dermaßen nach Norden, das es einem schwindlig wird.

An dieser Stelle soll einmal das Vorurteil widerlegt werden, dass in Venedig grundsätzlich alle Arten von Waren und Dienstleistungen unsittlich überteuert wären: Auf dem Weg Richtung Rialto-Brücke irgendwo in dem engen Gassengewirr packt die beiden Prinzregenten inmitten der Menschenmenge der Heißhunger und es dauert nur wenige Minuten, bis wir eines der in italienischen Städten häufigen Stehlokale mit wagenradgroßen Pizze al Taglio im Thekenverkauf gefunden haben. Der Preis für eine Riesenecke davon schwankt je nach Belag zwischen 2 und 3 €. Genüsslich am Ufer des Rio di San Luca sitzend verspeisen wir unsere Schnäppchen und beobachten die Gondolieri, wie sie ihre Boote mit eingezogenem Kopf unter dem Ponte de la Cortesia hindurch manövrieren.

Bei dieser Gelegenheit wird mir auf einmal bewußt, dass ein weiterer angeblicher Makel Venedigs vermutlich längst der Vergangenheit angehört: Es stinkt nicht – jedenfalls nicht an diesem Kanal und überhaupt an diesem Tag. Auf der anderen Seite der Brücke werden willige Opfer für eine sündhaft teure Fahrt in eine hochglanzpolierte Gondel bugsiert. Diesmal hat es eine pakistanische Großfamilie mit mehreren verschleierten Frauen erwischt. Aber wie gesagt: Das muss nicht sein. Auch die Cafébar einige Meter weiter verlangt für den Espresso im Stehen marktübliche 90 Cent, für Sitzen oder Liegen kommt dann wie immer der Bequemlichkeitszuschlag hinzu. Die Konkurrenz in einer Stadt wie Venedig ist halt enorm und die wenigsten Geschäfte kämen daher mit Phantasiepreisen auf Dauer durch. Lediglich an den üblichen prädestinierten Orten des geballten Publikumsinteresses wird richtig zugelangt. Wer darauf hereinfällt und eben meint, sich auf der Piazza San Marco oder an der Rialto-Brücke hinsetzen zu müssen, hat es auch nicht anders verdient. Bei so viel Unerfahrenheit haben es sogar die Gondolieri bis heute geschafft, mit ihrer kitschigen Romantikinszenierung trotz ultragemeiner Abzockerei zu überleben.

Nach dieser dringend erforderlichen Pause überqueren wir eine Brücke über den Rio di San Salvador, von der im gleißenden Licht die Turmspitze von San Marco zu sehen ist. Es geht vorbei an der Chiesa di San Salvador, einem bereits auf das 7. Jahrhundert zurückgehenden Komplex aus Kirche, Konvent und Wohngebäuden, welche von 1506 bis 1534 einem gründlichen Umbau unterzogen wurden. Die Fassade wurde erst 1663 vollendet, der Glockenturm sogar erst im 19. Jahrhundert.

Dann sind es nur noch wenige hundert Meter, bis wir wieder am Canal Grande stehen, vor uns der Ponte di Rialto. Die nach dem Eisernen Steg wohl bekannteste Brücke der Welt wurde 1591 von Antonio da Ponte nach mehreren hölzernen Vorgängern mit einer Ladenzeile errichtet und überspannte damals als einzige freitragend den Canal Grande. Wahrscheinlich hat er schon damals voraus gesehen, welche Menschenmassen sich später einmal darauf tummeln würden und sein Werk entsprechend stabil konzipiert: 6000 Holzpfähle auf jeder Seite, so heißt es, tragen die Fundamente.

Der ausgeschilderte Weg zum nächsten Highlight führt über die Calle Larga Mazzini und zahllose weitere engste Gassen, bis wir durch den Torbogen des Torre dell’Orologio (1496-99) hindurch die Piazza San Marco betreten und erwartungsgemäß den Gipfel des Irrsinns, die Vollendung der Invasion erleben. Zugegeben: Der Platz ist allein von seinen Ausmaßen schon beeindruckend, der Campanile bildet mit seinem roten Backsteinmauerwerk und dem grünen Spitzdach einen imposanten Kontrast zum sonst gängigen weißen Marmor und die Basilica erschlägt den Betrachter mit ihrem Reichtum an Ziergiebeln, Statuen, Mosaiken und Türmchen. Von den zwei Millionen Tagesgästen halten sich zeitgleich immer 1,5 Millionen auf diesem Platz auf und füttern die zwei Milliarden Tauben. Na ja, fast ... Dennoch lässt es einem am Verstand derjenigen Zeitgenossen zweifeln, welche die garantiert keimfreien Haustiere gezielt locken, bis sie in Trauben für ein vollkommen originelles Foto auf allen Extremitäten einschließlich Kopf sitzen.

Doch wir wollen nicht weiter lästern, halten gehörigen Sicherheitsabstand zu den Bakterienschleudern und bestaunen die Wuchtigkeit dieses wirklich gelungenen Glockenturms. Bereits seit dem 10. Jahrhundert wurden erste Grundsteine dafür gelegt und bis Anfang des 16. Jahrhunderts immer wieder Ergänzungen und Umbauten daran vorgenommen, zuletzt das Spitzdach mit dem Erzengel Gabriel. Im Jahre 1902 jedoch stürzte die ganze Herrlichkeit nach vorwarnenden Rissen im Mauerwerk in Folge stümperhafter Baumaßnahmen für einen Lift in sich zusammen und wurde in zehnjähriger Fleißarbeit wieder originalgetreu aufgebaut.

Ein weiterer Höhepunkt auf diesem so reichhaltigen Terrain ist am östlichen Ende die Basilica di San Marco, welche die Venezianer nach einem Vorgängerbau als Grabkirche für die Gebeine des Apostels Markus, ihres neuen Stadtheiligen errichteten. Diese wurden bereits um das Jahr 830 aus Alexandria geraubt – eine damals beliebte Methode der Reliquienbeschaffung. Wie bereits oben erwähnt ist die Kreuzkuppelkirche eine Orgie von stilistischen Mitteln, da vom 11. bis zum 16. Jahrhundert daran gewerkelt wurde. Anfangs im rein byzantinischen Stil nach dem Vorbild der Apostelkirche von Konstantinopel konzipiert, wurden dem Dom ab 1205 zahllose antike Beutekunstwerke aus der Plünderung von Byzanz und später gotische Elemente hinzugefügt.

Südlich des Markusdomes schließt sich der Palazzo Ducale mit seinen in drei Bauabschnitten (1340 bis nach 1600) entstandenen Flügeln an. In der Zentrale der einstigen Seemacht residierten fast eintausend Jahre lang die Dogen mit ihrem großen Rat. Die weiße, reich dekorierte Marmorfassade des kolossalen Bauwerks und ebenso die rundum verlaufende Arkadenreihe des ersten Stocks ruhen auf unzähligen Säulen.

Auf der westlichen Seite wird die Piazza von den Procuratie Vecchie (1500) und Nove (1583), dem Sitz der inneren Verwaltung der Stadt flankiert, beide verbunden durch die Ala Napoleonica, welche der französische Imperator meinte 1807 an Stelle von San Geminiano als Eingang zu seiner Residenz errichten zu müssen.

Die längliche Piazzetta wird zum Wasser hin von zwei riesigen antiken Granitsäulen (1172) abgeschlossen – natürlich Diebesgut, in diesem Fall aus Syrien: Auf der einen thront der heilige Theodor, einst Stadtpatron bevor die Reliquien des heiligen Markus eintrafen, auf der anderen der Markuslöwe. Am Fuße der Colonne war es weniger herrlich, hier wurden einst die öffentlichen Hinrichtungen vollzogen.

Die Uferpromenade vor San Marco und dem Dogenpalast, genannt Molo, eröffnet einen weiten Blick über den Canale di San Marco auf die Insel San Giorgio mit Kloster und Kirche gleichen Namens. Letztere ist ein weiteres Werk Palladios und wurde 1610, nach seinem Tod fertiggestellt.

Auf der rechten Seite, dort wo die Riva degli Schiavoni beginnt und bis in den Stadtteil Castello führt, fällt auf einer flachen Brücke mal wieder eine enorme Menschenmenge ins Auge und mittlerweile leuchtet mir ein, dass bei dem Getrampel jede Küstenstadt der Welt langsam im Meer versinken wird. Der Ponte della Paglia bietet einen exzellenten Blick auf den Ponte dei Sospiri, die weltberühmte Seufzerbrücke, welche die Gefangenen überqueren mussten, nachdem sie die Richter im Dogenpalast in den Kerker verbannt hatten.

Wir gehen in die entgegengesetzte Richtung, vorbei am Giardini ex Reali und dann ist erst mal Schluss mit Promenade. Wie so oft am Canal Grande ist der Weg an der nächsten Mündung zu Ende und man muss wieder zurück ins enge Gewirr der Kanäle, Brücken und Gassen.

Der Weg führt uns über den Rio della Fenice nahe am 1996 abgebrannten und 2003 wieder aufgebauten Teatro La Fenice vorbei, dann über den Rio dell'Albero bis zur Kirche Santa Maria del Giglio (1678-83) mit ihren ungewöhnlichen Reliefen venezianischer Festungen im Sockelbereich. Mit Blick in diese engen Kanäle und auf die in den Untergeschossen befindlichen Portale für die Boote wird uns immer wieder bewusst, dass die Wohnhäuser Venedigs buchstäblich im und nicht am Wasser stehen.

Weiter geht es zum Campo und zur Chiesa di San Maurizio (16. Jh.), deren Turm tatsächlich immer noch steht. Im Innenbereich befindet sich gerade eine kostenlose Ausstellung mit allerdings recht kostbaren historischen Instrumenten, natürlich untermalt von dezenter klassischer Musik.

Wir überqueren den Rio del Santi di San Stefano, erreichen den Campo Santo Stefano und stellen somit fest, dass wir wohl im Kreis gelaufen sein müssen. Da jedoch noch Zeit verbleibt, soll noch ein anderer Teil des nördlichen Ufers von San Marco zum Canal Grande unser Ziel sein.

Diesen erreichen wir am Palazzo Dandolo-Farsetti, einem der prachtvollsten Kanalpaläste mit monumentalen Erdgeschossarkaden (13. Jh.), heute Sitz der modernen Stadtverwaltung von Venedig. Unser Blick schweift über das Wasser des Canal Grande in der Abendsonne. Von Westen ziehen beunruhigend schnell tiefgraue Unwetterwolken herbei. Der Ponte di Rialto strahlt jetzt nicht mehr im gleißenden Licht und wirkt dadurch irgendwie zerbrechlich. In den frühen Abendstunden, so gegen 18.00 Uhr, wenn die meisten Tagestouristen wieder verschwunden sind, legt sich mit einem Mal ein angenehmer Schleier der Ruhe über alles. Die Stadt scheint durchzuatmen und die tiefer stehende Sonne macht den Fußmarsch wieder erträglicher, da die Flucht vor der bleiernen Hitze des Tages nicht mehr im Vordergrund steht.

Plätze wie jener vor der zwischen Häusern eingezwängten Chiesa di San Beneto laden ohne das diffuse Gefühl, immerzu von einer nicht abreißenden Menschenmasse weitergeschoben zu werden, zum Verweilen ein. Doch das Vergnügen währt nicht lange: Erste Blitze und ein fernes Donnergrollen sind zu vernehmen und die schwüle Luft ist statisch aufgeladen. Wir erhöhen das Tempo und begeben uns auf direktem Weg zur Anlegestelle, auch wenn laut Plan noch eine ganze Weile bis zur Abfahrt vergehen soll. Und wir haben Glück, denn in Erwartung des kommenden Gewitters hat die Besatzung außerplanmäßig damit begonnen, ein Boot mit Passagieren zu füllen. Wenige Augenblicke später hat es schon abgelegt und fährt hinaus in den Regen. Das dunkle Grau des Lagunenwassers verschmilzt mit dem der Wolken zu einem einheitlichen Brei, kein Horizont ist mehr zu erahnen. Die Fähre kämpft sich gegen den Wind durch das aufgewühlte Wasser. Die roten Backsteinmauern der Molino Stucky am Ende der Insel Giudecca wirken im Restlicht der Abendsonne vor dem dunklen, bedrohlichen Hintergrund wie künstlich erleuchtet. Die im Stil eines norddeutschen Speichergebäudes errichtete einst größte Getreidemühle Italiens wurde nach über fünf Jahrzehnten als brachliegendes Industriedenkmal, nach umfangreichen Umbauarbeiten und einem verheerenden Großbrand 2007 als Hotel und Kongresszentrum wiedereröffnet.

Wir verlassen den Canale della Giudecca und tuckern hinaus in die offene Lagune. Das Zentrum des Gewittersturms ist inzwischen direkt über uns, links und rechts schlagen in wenigen Metern Entfernung zum Boot mächtige Blitze direkt ins Meer ein. Die Passagiere des vollbesetzten Bootes drängeln sich vor den sintflutartigen Regengüssen im Kabineninneren und erzählen von den wirklich großartigen Städten in Italien, welche man unbedingt gesehen haben muß: San Gimignano und Florenz...

Der Festlandsteg ist erst kurz vor dem Anlegen zu ersehen: Ein kleiner überdachter Ponton unter dem sich alle vor dem Wolkenbruch flüchten. Die Stimmung ist trotz des Temperatursturzes von etwa 10°C sichtlich gelöst, denn der bedenklichste Teil der Rückreise, die Überfahrt, ist geschafft. Einige mutige Mitleidende rennen in Badehose Richtung Parkplatz, um wenige Minuten später mit Handtüchern und trockenen Klamotten bestückt und unter tosendem Applaus ihre Angehörigen vor dem Erfrieren zu erretten. Wenige Minuten später hat sich die Unwetterfront verzogen und wir waten durch die neu entstandenen Lagunen auf dem Parkplatz zum Wagen.

Als wir an diesem Abend Longare wieder erreichen, wird das ganze Ausmaß der Verwüstungen des Sturmes über dem Festland deutlich: Die Hauptstraße ist von abgerissenen Ästen und Blättern übersät und Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr versperren mehrere Abzweigungen, wo umgestürzte Bäume die Straßen blockieren.

Der letzte Tag steht ganz im Zeichen der Erholung von den Strapazen in der Lagunenstadt. Nach dem Unwetter vom Vortag haben Phils nagelneuer Pool und die Neuanpflanzungen schwer gelitten. Ein Baumsetzling wurde mitsamt der Wurzel von der Wucht des Sturms komplett umgebogen und liegt nun beinahe waagerecht auf dem Acker, der später einmal Rasen werden soll. Einige Gartenstühle wurden umgeworfen und sind jetzt von Schlamm verkrustet. Im Wasser schwimmen abgerissene Äste und Blätter, der Beckenboden ist von Erde übersät und wird bereits vom Roboter gereinigt. Ob wir hier den geplanten Poolnachmittag verbringen können, steht erstmal in den Sternen. Zunächst einmal sind Rettungsaktionen angesagt: Erneut konnten eine ganze Reihe Frösche aus den umliegenden Gebüschen dem Bad nicht widerstehen und schwimmen nun gemächlich hin und her. Mit dem Netz versuche ich mit Hilfe der beiden Bademeister die Kerle einzufangen, aber immer wieder gelingt es ihnen, in waghalsigen Tauchaktionen zu entfliehen. Irgendwann tauchen sie zum Luftholen auch wieder auf und landen dann doch in unserem Köcher, um später im Gebüsch unter lautem Gequake wieder ausgesetzt zu werden.