Parque Nacional de Timanfaya

Lanzarote ist schön, einzigartig, faszinierend, bizarr, karg und unwirklich. Zu einem Superlativ á la „Schönste aller Kanaren“ werde ich mich dennoch nicht hinreißen lassen, denn jede Insel der Gruppe hat einen grundlegend anderen Charakter. Keine ist wie dieses Gebilde aus Lava und Magma. Keine hat eine solch spärliche Vegetation, denn die höchsten Erhebungen erreichen nicht einmal 700 Meter und diese Tatsache ist von entscheidender Bedeutung: Sie verhindert zu allen Jahreszeiten das Abregnen oder „Auskämmen“ feuchter Passatwolken in den Lorbeer- und Kiefernwälder mächtiger Gebirgskämme wie z.B. auf La Palma oder Gomera. Über viele Monate hinweg regnet es keinen einzigen Tropfen. Lediglich Fuerteventura kann ein ähnliches trocken-heißes Wüstenklima vorweisen. Nirgendwo dominiert der Vulkanismus auf diese extreme Art und Weise. Sie strahlt in Folge dieser herben Bedingungen eine kaum zu beschreibende Erhabenheit aus. An manchen Stellen wirkt die Landschaft fremdartig wie auf einem anderen Planeten. Farben und Formen sind nicht von dieser Welt. Ich hatte Gelegenheit, 1995 und 1997 insgesamt vier Wochen dort zu verbringen und kann mit gutem Gewissen sagen, zwar nicht jeden Stein gesehen, aber im Großen und Ganzen alle Ecken besucht zu haben.

Allgemeines

Die nördlichste der großen Kanareninseln ist mit 795 Quadratkilometern die viertgrößte nach Teneriffa, Gran Canaria und Fuerteventura und liegt nur 125 Kilometer vor der marokkanischen Küste. Weite Landstriche im Westen – etwa ein Viertel der gesamten Fläche – nehmen die unwirtlichen Lavafelder des Timanfaya-Gebietes ein. Es entstand größtenteils während der verheerenden Ausbrüche zwischen 1730 und 1736, als die einstige Kornkammer des Archipels ihren fruchtbarsten Boden und die Grundwasserreserven verlor. Daneben gibt es im Norden Lanzarotes noch einige kleine bewohnte Eilande (La Graciosa, Montaña Clara, Alegranza) und Felsen. Die höchste Erhebung sind mit 670 Metern die Peñas del Chache, eine Hochebene im Nordwesten – im Vergleich zu den den Giganten auf Teneriffa (Teide 3718 Meter) und La Palma (Roque de los Muchachos 2426 Meter) ein eher bescheidener Hügel, mit den oben erwähnten weitreichenden Folgen für das lokale Klima. Trotzdem ist auf Lanzarote dank des Trockenfeldbaus landwirtschaftliche Produktion möglich (siehe dazu auch das Kapitel „Feurige Tropfen aus heißen Steinen“). Von den derzeit 77.000 Einwohnern lebt knapp die Häfte in der Hauptstadt Arrecife. Hinzu kommen noch einmal rund 50.000 Touristen.

Man wird den Gedanken nicht los, dass menschliche Siedlungen in diesem Gesamtkunstwerk der Natur den Betrachter mehr stören als anderswo. Ich gebe zu, eine etwas abgehobene Betrachtungsweise, zumal die Lanzaroteños schon seit Jahrhunderten hier leben. In jedem Fall aber empfinde ich wild wuchernde Orte wie Puerto del Carmen, in die man immer wieder auch als erfahrener Reisender gerät, eigentlich als Beleidigung. Ohne Sinn und Verstand fressen sich die Appartementsiedlungen in beide Richtungen dieses Küstenabschnitts, erschlossen von einer einzigen Strandpromenade, deren Gesamtlänge man zu Fuß an einem Abend schon nicht mehr bewältigen kann. Von lärmendem und stinkendem Stop-and-go-Verkehr verstopft, für Fußgänger viel zu schmal, eine gesichtslose Aneinanderreihung von immergleichen Restaurants, Bars und Spielhöllen, so wie sie genauso gut auf Teneriffa, Gran Canaria, Mallorca, Ibiza, Kreta, in Rimini, Aya Napa (Zypern) oder sonst wo stehen könnten. Diese Form der Gigantomanie ist ein Werk spanischer Schreibtischtäter und auch in anderen Landesteilen weit verbreitet – die Infrastruktur bezuschusst in der Regel die EU. Allein die Tatsache, dass Lanzarote keine eigenen Süßwasservorkommen aufzuweisen hat, das benötigte Trinkwasser unter Schweröleinsatz aus Meerwasserentsalzungsanlagen gewinnen muss und trotzdem eine Verdoppelung (!!) der Bettenkapazität bis 2002 geplant ist, lässt am Verstand der Regionalpolitiker zweifeln.

Natürlich hat Puerto del Carmen auch einen alten Kern um den Hafen herum. Hier gibt es sie noch, die allabendlich getrennt nach Geschlechtern Boule spielenden einheimischen Männer und Frauen und einige gute Fischlokale drum herum. Der Durchgangsverkehr beginnt erst einige Straßen weiter. Und trotzdem gibt es auf Lanzarote bessere Alternativen als Reiseziel: Playa Blanca mit den weitläufigen Papagayo-Stränden am südlichsten Zipfel zum Beispiel oder Costa Teguise (nördlich von Arrecife), zwar eine Retortensiedlung, jedoch ohne großen Rummel, noch einigermaßen überschaubar und in die Landschaft eingepasst. Am ursprünglichsten sind sicherlich die Orte im Landesinneren: Yaiza, Haría oder die alte Hauptstadt Teguise.

Manriques „Weltwunder“

Hat man erst einmal das Problem der akzeptablen Unterbringung gelöst, kann man sich ganz den phantastischen Naturwundern widmen. Im Norden, unter einem alten Lavafeld gelegen, finden wir in unmittelbarer Nachbarschaft zwei berühmte Vulkanhöhlen: Die Cueva de los Verdes, ein fast sieben Kilometer langes Labyrinth in schillernden mineralischen Farben, wurde von einem unterirdischen Lavastrom vor Urzeiten gebildet. Ein Teil davon liegt draußen, tief unter dem Meeresspiegel, rund ein Drittel ist für Besucher zugänglich. Während auch eine klimatisch so bevorzugte Insel wie Lanzarote jahreszeitlichen Klimaschwankungen unterworfen ist, herrschen im Innern der Höhle gleichbleibende Temperaturen von etwa 15 °C und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Tiefer und tiefer lotst der Führer die Touristen in das verwirrende, gefühlvoll beleuchtete System von Gängen, Galerien und Schächten und erzählt dabei die Geschichte der verfolgten Familie Grün, nach der schließlich die Höhle benannt wurde. Am tiefsten Punkt öffnet sich der enge Gang zu einer weiten Halle, welche dank der ausgezeichneten Akustik des Lavagesteins bis in jüngster Zeit als Konzertsaal genutzt wurde.

Die Jameos del Agua (Eintritt 1200 Peseten), mehrere teils geschlossene, teils offene vulkanische Gasblasen, bilden den oberirdischen Abschluss des Höhlensystems und wurden von César Manrique gestaltet. Lanzarotes Universalkünstler, -architekt und landschaftsplaner werden wir noch an einigen anderen Stellen begegnen. Zunächst steigt man auf steinernen Stufen hinunter in eine Grotte, wo auf halbem Wege in die Tiefe ein Restaurant mit Tanzfläche in die Felsen eingepasst wurde. Dessen Öffnungszeiten sind in der Regel abends, wenn die Illumination der Stätte besonders wirkungsvoll ist. Den Boden der Höhle bedeckt ein natürlicher klarer Meerwassersee mit unterirdischer Verbindung zum Ozean, dessen Hauptattraktion in kleinen blinden Albinokrebsen besteht. Die weißen Tiere wurden vermutlich durch Eruptionen in grauer Vorzeit aus dem Meer hierher befördert und sind als Spezies einzigartig auf der Welt. Diese Tatsache hielt die dem Herdentrieb verfallenen Durchschnittstouristen trotz eindeutiger Verbotshinweise nicht davon ab, wie in alle romantischen Gewässer in der Hoffnung auf Reichtum und Glückseligkeit pfundweise ihre Groschen zu schmeißen. Die Korrosion der Münzen hätte den endemischen Tierchen schließlich fast den Garaus gemacht. Nachdem der Besucher das flache Becken passiert hat, betritt er eine nach oben offene größere Blase, welche im Zentrum von einem diesmal künstlichen effektvollen Swimmingpool geprägt wird. Weitere bemerkenswerte Einrichtungen sind ein unterirdischer Konzertsaal mit nahezu perfekter Akustik, ein Besucherzentrum (Casa de los Volcanes), welches in anschaulichen, zum Teil interaktiven Tafeln über Vulkanologie informiert und eine mit zahlreichen Kakteen, Palmen und tropischen Pflanzen gestaltete terrassenförmige Gartenanlage, von der man einen tollen Blick über die etwas weltfremde, an Agentenfilme der sechziger Jahre erinnernde Inszenierung Manriques hat.

Auch der Jardin de Cactus bei Guatiza geht auf eine Idee César Manriques zurück. Ein alter Steinbruch wurde zu einem Amphitheater der Kakteen und Sukkulenten ausgebaut. Die Fülle der Arten und die Formenvielfalt erschlägt einem fast. Die beeindruckenden endlosen Opuntienfelder bei Mala, einer der wenigen grünen Landstriche der Insel, passen zu diesem Thema und wurden früher für die Züchtung von Koschenille-Läusen angelegt. Aus dem Blut der Parasiten der Feigenkakteen hat man den wertvollen roten Farbstoff gewonnen, welcher unter anderem in bekannten italienischen Aperitifen verwendet wurde. Das darauffolgende Dorf Arrieta ist touristisch kaum erschlossen, bietet jedoch einige gute Fischrestaurants und als beliebtes Fotomotiv ein ganz und gar andersartiges buntes Gebäude im eigentümlichen Fachwerkstil am felsigen Strand.

Nordwestlich von Lanzarote setzt sich der Archipel in den Inseln La Graciosa, Montaña Clara, Alegranza und einigen Felsen fort. Aus einem alten Militärbeobachtungsposten hat Manrique einen der bei den Spaniern so beliebten Miradores gestaltet. Ein Café hinter einer Panoramaglasfront lädt zum Verweilen ein. Viel interessanter ist jedoch der Blick von der im Freien befindlichen mehrstöckigen Terrasse: Kräftiger Wind bläst ins Gesicht, während die senkrecht abfallenden Felswände den Schwindel ins Gehirn treiben. Jedoch der atemberaubende Blick auf die in prallen Pastellfarben schillernden Salinas del Río und die von Kratern beherrschte Nachbarinsel lässt das mulmige Gefühl der Höhenangst und die Zeit schnell vergessen.

Südlich vom Mirador del Río verläuft die Straße durch Haría, dem Tal der 10000 Palmen und anschließend über das Plateau mit dem Peñas del Chache, der höchsten Erhebung Lanzarotes. Die Einsiedelei Ermita de las Nieves ist neben den weithin sichtbaren Windkraftanlagen der einzige Orientierungspunkt in dieser Landschaft. Wagt man sich bis an den Westrand diese Hochebene, so kann man unten den kilometerlangen Sandstrand Playa de Famara und die wüstenartige Sandebene El Jable bewundern. Vor Ort erweist sich dieses mit Abstand längste Gestade der Insel als Surferparadies mit teilweise brandgefährlichen Unterströmungen und daher nur für trainierte Schwimmer geeignet. Der Sand fällt über Hunderte von Metern extrem flach ab, was zur Folge hat, dass die ankommenden Wellen enorme Höhen erreichen und Assoziationen an Hawaii geweckt werden. Im Abendlicht spiegeln sich Himmel und Landschaften auf dem fast regungslosen Wasserfilm am endlosen Strand.

Im Garten der Vulkane

Rund ein Viertel von Lanzarote nimmt der Parque Nacional de Timanfaya, Schauplatz der letzten großen Ausbrüche im 18. und 19. Jahrhundert, ein. Die Fahrt in das Eruptionsgebiet, für mich der Höhepunkt der Reise, beginnt man am besten am Malpais de Tizalaya zwischen Masdache und La Vegueta. Das gewaltige Lavafeld wirkt wie ein erstarrtes Meer und ist schon teilweise verwittert: Flechten und Sukkulenten wachsen in teils meterbreiten Rissen monumentaler Basaltkissen, deren ehemals flüssige Form noch zu erahnen ist. Gigantische Naturkräfte müssen hier getobt haben, genau die richtige Einstimmung für den Nationalpark, finde ich. Ihr solltet Euch nicht von Euren Reiseleitern einreden lassen, der Zugang für Individualtouristen sei nicht möglich. Das ist schlichtweg falsch: Es geht wohl eher darum, die lukrativen, aber fürchterlichen Tagesausflüge an ahnungslose Touristen zu verkaufen. Auf einer mehr oder weniger unbefriedigenden Busfahrt mit haarsträubend schlecht informierten Reiseleitern werdet Ihr nacheinander am Besucherzentrum, zum Kamelritt und in einer riesigen lieblosen Touristenkantine zum Mittagessen abgesetzt. Die wirklich interessanten Orte sieht man nur im Vorbeifahren – Aussteigen und in Ruhe die erhabene Landschaft genießen unmöglich! Auch solltet ihr nicht im voraus irgendwelche Touren buchen. Wenn am betreffenden Tag das Wetter nicht mitspielt und Nieselregen einsetzt, sind die ganzen phantastischen Farbeffekte dahin und außerdem die Scheiben Eures Busses völlig durch den aus der Luft gewaschenen Staub verschmiert. Man kann sehr wohl kurzfristig mit dem Leihwagen, Fahrrad oder zu Fuß bis zum zentralen Parkplatz gelangen und sieht auf dem Weg dorthin schon zahlreiche vulkanische Hinterlassenschaften. Erst der Rundkurs ab diesem Sammelpunkt kann nur mit parkeigenen Bussen erfolgen und ist bereits im Eintrittspreis enthalten. Zur dramatischen Musik von „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss wird über Lautsprecher das Tagebuch eines Priesters verlesen: Wie sich während der wochenlangen Eruptionen immer neue Schlünde auftaten, Magmaseen entstanden, Vulkankrater in nur wenigen Tagen heranwuchsen, das Vieh auf den Weiden an giftigen Gasen verendete und Lavaflüsse ganze Ortschaften verschlangen. In der Tat sehen die aufgesprungenen Gasblasen und abstrakten Lavaformationen sehr jungfräulich aus, so als wäre alles erst gestern gewesen. Nirgendwo sonst in Europa lässt sich der alles verheerende Vulkanismus und unsere eigene Bedeutungslosigkeit in diesem Zusammenhang so hautnah erleben. Wenige Zentimeter unter der obersten Ascheschicht ist die Erde auch jetzt noch unerträglich heiß, ein Phänomen, welches zum Schluss der Führung gerne mit dem Geysir-Experiment demonstriert wird. Von der Anhöhe des Parkplatzes aus kann man sehr schön die rötlich-braun leuchtenden Krater studieren. Übrigens wurde in dieser lebensfeindlichen Einöde mit „Enemy mine – Geliebter Feind“ in den achtziger Jahren der bislang aufwendigste deutsche Science Fiction-Kinofilm gedreht. Wer Spaß daran hat, kann auf der Rückfahrt von einem zweiten Parkplatz aus einen Ausritt auf Kamelrücken unternehmen. Die aus Marokko importierten Tiere laufen einen Hügel hinauf, von wo sich abermals ein herrliches Panorama bietet und treiben unterwegs allerlei Schabernack mit den Touris. In den Pauschalausflügen ist dieses Vergnügen schon mit drin. Wem’s gefällt... Den Kamelen geht es allem Anschein nach wohl sehr gut, sie arbeiten nur am Vormittag und kehren anschließend nach Uga in ihre Stallungen zurück.

Am Rand des Nationalparks gibt es seit wenigen Jahren ein Besucherzentrum für vulkanologisch Interessierte. Zur Zeit meines Aufenthalts war der Eintritt frei. Neben ausführlichen Erläuterung zu den hiesigen Vulkantypen und zur geologischen Entstehungsgeschichte der Kanaren (Hot-Spot-Theorie) wird eine effektvolle Multimedia-Show über Lanzarotes Naturwunder und Kultur geboten: Mindestens acht Dia- und Videoprojektoren mit Dolby Surround und Lightshow lassen es so richtig krachen! Dass der deutsche Kommentar über Kopfhörer nicht funktioniert hat, ist dabei nicht so wichtig, denn die Bilder sprechen für sich.

Nicht alle Teile des Timanfaya-Gebiets sind gesperrt. Eine Wanderung zur Caldera Blanca, einem älteren Krater am Rand des Nationalparks lässt sich wunderbar mit einer Besteigung selbiger kombinieren. Ein Schotterweg führt von der Hauptstraße Richtung Westen ab. Man lässt am besten das Auto dann stehen, wenn die Schlaglöcher zu tief werden und geht zu Fuß weiter. Hierbei ist unbedingt festes Schuhwerk, Schwindelfreiheit und Trittsicherheit erforderlich. Trotz intensivster Suche ist es mir nämlich nicht gelungen, auf Anhieb einen regulären Pfad auf den Kraterrand zu entdecken. Da hilft nur eins: Senkrecht hinauf. Dabei sind ca. 200 Höhenmeter zu überwinden und die Gefahr liegt in der schnell nachgebenden Ascheschicht, welche zuvor noch die Illusion massiven Gesteins vermittelt hatte. Dieser Umstand brachte uns schmerzhafte Schürfwunden und unvergessliche Adrenalinstöße ein. Oben auf dem sehr schmalen Rand wird man wie immer von stürmischen Winden durchgeschüttelt, hat aber dafür eine grandiose Aussicht in das kreisrunde Kraterinnere und auf das gesamte Timanfaya-Gebiet mit seinen zahlreichen Vulkanschloten, dem Meer aus schwarzer erstarrter Lava und den Gesteinsinseln (Islotes) in seiner Mitte.

Blick von der Caldera Blanca in den Parque Nacional de Timanfaya

Südwestlich von Timanfaya erreicht die Hauptstraße Yaiza, das angeblich schönste Dorf des Eilands. Wirklich paradiesisch fühlt man sich, nachdem man den Innenhof des berühmten Restaurants La Era betreten hat: Überall Vogelgezwitscher, üppige Grünpflanzen und traditionelle Architektur. Ein Kunstwerk, welches gerne von Modefotographen genutzt wird und natürlich hatte auch hier wieder Manrique die Hände mit im Spiel.

Hinter Yaiza führt nach einem Abzweig eine ringförmige Straße zum Meer und zu einer der Hauptattraktionen Lanzarotes: El Golfo, ein riesenhafter alter Krater aus dem Pleistozän, dessen eine Hälfte von der Brandung weggespült wurde und der nur zu erreichen ist, indem man den verbliebenen erodierten Kraterrand übersteigt. Dazu bieten sich zwei Routen an: Die meisten Besucher, vor allem die leider zahlreichen Reisebusse, parken im Norden in der gleichnamigen Ortschaft, so dass geübte Vulkankletterer oftmals reichlich Geduld aufbringen müssen, um sich hinter wackeligen sandalenbewehrten Seniorenclubs in unendlich langem Aufstieg dem Ziel zu nähern. Der weniger bekannte Zugang erfolgt aus genau entgegengesetzter Richtung von einem kleinen Parkplatz aus. Diesen erreicht Ihr, indem Ihr den Krater weiter auf der Straße in Richtung Süden umfahrt. Schicht um Schicht des einstmals für hiesige Verhältnisse gigantischen Kegels wurde aus poröser Asche in allen Braun- und Rottönen aufgetürmt. Von oben bietet sich eine überwältigende Totale: Rechts das offene Meer vor der Westküste und in der Mitte schwarzer Lavastrand, welcher auf der linken Seite eine smaragdgrüne Lagune wie aus einem phantastischen Traum begrenzt. Das Gewässer wird unterirdisch vom naheliegenden Meer gespeist, die unwirkliche Farbe entsteht durch die schnell wachsenden Algen in diesem See. In der Brandung steht noch ein imposanter Überrest des ehemaligen Schlotes, welcher aufgrund der größeren Dichte seines Materials dem Zerstörungswerk des Meerwassers länger standhielt. Unten im pechschwarzen Sand sitzen Leute, meist Touristen, und sortieren unentwegt Steine. Was ist daran so interessant? Bei näherem Hinschauen werdet Ihr erkennen, dass sie nach kleinen transparent-grünen Olivinen suchen. Von diesem vulkanischen Halbedelstein gibt es hier jede Menge. Es handelt sich um ein Mineral, welches tief im Erdinnern unter hohem Druck entsteht und im Rahmen von vulkanischen Eruptionen hinausgeschleudert wird - meist als Olivinbombe, von außen kaum erkennbar, jedoch im Inneren kristallin. Im Laufe von Jahrtausenden hat die Meeresbrandung im Zusammenwirken mit feinstem Sand diese Steine mit einem hohen spezifischen Härtegrad rund geschliffen. Pfiffige Lanzaroteños verkaufen auf den Parkplätzen übrigens kleine Schmuckgebilde aus Olivin, jedoch macht das Selbstsuchen weitaus mehr Spaß.

Salinas del Janubio

Von El Golfo aus locken weitere interessante Naturschauspiele Die Straße führt vorbei an einigen menschenleeren schwarzen Stränden und von der Brandung ausgewaschenen Lavaströmen (Los Hervideros), die sich an diesen Stellen einst ins Meer ergossen. Bei starkem Seegang schießt das Meerwasser in Fontänen aus dem ausgehöhlten Untergrund. Über steile Pfade, vorbei an messerscharfem Lavagestein kommt man dem tosenden Untergrund immer näher. Den Schlusspunkt dieser Route bilden die Salinas del Janubio, eine riesige, noch heute funktionierende Meersalzgewinnungsanlage, welche insbesondere im Abendlicht ein vielfältiges Farbenspiel bietet. Spätestens hier muss man sich entscheiden, ob es weiter nach Süden Richtung Playa Blanca gehen soll oder lieber zurück über Las Breñas durch das Weinbaugebiet La Geria.

Salinas del Janubio

Feurige Tropfen aus heißen Steinen

Die von Tausenden Trichtern übersäte Region wurde von der UNESCO in die Liste der Weltkulturerbe aufgenommen. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Eruptionsgebiet Timanfaya wird dem Besucher die lebensfeindliche Unwirtlichkeit dieser Wüstenlandschaft bewusst. Hinter dem Gesamtkunstwerk verbirgt sich eine grundsätzlich einfache landwirtschaftliche Produktionsmethode: Der Trockenfeldbau. Mangels Süßwasser auf Lanzarote blieb den Weinbauern nichts anderes übrig, als die Luftfeuchtigkeit zu nutzen. Dazu wurden tiefe Trichter in die dicke Lapillischicht (vulkanisches Auswurfmaterial) bis zur Muttererde gegraben und dort die Reben gesetzt. Zur Windseite hin haben die Bauern als Schutz vor den stürmischen Böen zusätzlich kleine Mauern aus Lavabrocken errichtet. An den warmen Trichterrändern kondensiert abends die feuchte kühle Meeresluft und das kostbare Nass läuft hinunter bis zur Pflanze. Auf diese Weise lassen sich erstaunliche Erträge ohne jegliche künstliche Bewässerung oder erforderliche Regenmengen erzielen: Angeblich bis zu 300 kg Trauben pro Stock. Auch wenn ich das für etwas übertrieben halte, so muss die Menge doch enorm sein, denn es handelt sich bei älteren Reben um richtige Büsche. Viele dieser Trichter, vor allen Dingen in steilen Hanglagen, sind mittlerweile nicht mehr bewirtschaftet und „versanden“. Erfreulich ist jedoch die Tatsache, dass an manchen Stellen mit Hilfe von Fördergeldern wieder neue Felder entstehen und somit diese exotische Anbaumethode auch in Zukunft bestehen wird. Entlang der Straße durch La Geria befinden sich mehrere Bodegas zum Probieren und Einkaufen. Man sollte jedoch nicht den Fehler begehen, selbige über eine organisierte Bustour anzusteuern. In diesem Fall ist mit Massenabfertigung und einer garantiert unpersönlichen Verkostung zu rechnen. Die traditionsreichste Kellerei ist sicherlich El Grifo: Qualitativ hochwertige Malvasier- und Moscateltrauben werden zu süffigen Weiß- und Dessertweinen vergärt. Der Moscatel hat in etwa den Alkoholgehalt eines Sherries und lässt sich vom Zuckergehalt mit einem „Cream“ vergleichen. Das Aroma der Muskattraube macht diesen Wein jedoch einzigartig. Die Weine sind in der Regel auch in den Supermärkten der Kanaren erhältlich, zum Teil sogar etwas günstiger. Jedoch solltet Ihr wie auch in Deutschland üblich, die Weine, die Ihr zu Hause einlagern wollt, auch vorher probieren, und das geht nur in einer Bodega. Im angeschlossenen wahrlich gelungenen Weinmuseum (Eintritt frei) sind teilweise uralte nostalgische Messgeräte, Pumpen, Pressen und Analyseutensilien ausgestellt – liebevoll arrangiert, so dass Euch so richtig die Trockenheit in der Kehle bewusst wird. Die Verwendung der eigenartigen Konstruktionen bleibt in manchen Fällen für den Laien rätselhaft. In der heißen Mittagszeit ist der Aufenthalt in den angenehm kühlen Gemäuern erholsam, insbesondere nach einer anstrengenden Verkostung der Bestände. Wer Glück hat, findet etwas abseits der Hauptstraße auf einer Anhöhe eine kleine Tapas-Bar (Bodega El Chupadero) und lässt bei einem guten Glas, ein paar frittierten Peperoni und Ziegenkäse den Tag in einem der feuerroten Sonnenuntergänge ausklingen. Doch Vorsicht: Es wird sehr schnell dunkel, die Straße ist unbeleuchtet und überall lauern tiefe Gräben. Also langsam nach Hause fahren.

Die Fundación César Manrique gehört zum Pflichtprogramm eines jeden Lanzarotebesuchs. An der Hauptstraße zwischen San Bartolomé und Costa Teguise verbirgt sich hinter einem unscheinbaren inseltypischen Gebäudekomplex das ehemalige Privathaus des Künstlers. Er hatte bei einem Spaziergang über einen versteinerten Lavastrom mehrere Gasblasen entdeckt und sich in den Kopf gesetzt, sein Atelier mit Wohnräumen dort zu erbauen. Während die Arbeitsräume eher nüchtern gehalten sind, hat Manrique bei der Gestaltung der Wohnbereiche seine Phantasie spielen lassen: Zwischen den nach oben teils offenen Gasblasen wurden Verbindungsgänge gegraben, in einem Raum sprudelt ein Wasserfall, im nächsten wurde ein Garten angelegt. Die Grenzen zwischen Innen und Außen spielen hier keine Rolle. Die Einrichtung stammt den Farben nach zu urteilen zum Teil noch aus den sechziger Jahren. Etwas skurril wirkt die Szenerie schon. Im Hintergrund läuft instrumentale Geräuschmusik der Gruppe SOLAR mit sphärischem Einschlag. Die passende, wirklich hervorragende CD dazu kann man am Eingang kaufen. Von den vielen CDs über Lanzarote (u.a. Paul Brandenberg) gefällt mir diese mit Abstand am meisten, wahrscheinlich weil sich nichts besser zum Vertonen meiner Videos eignet.

Die Straßenkreuzung bei San Bartolomé beherrscht weithin sichtbar das Monumento al Campesino, ein Kunstwerk (ratet mal von wem...) aus alten Trinkwasserkanistern aus Fischerbooten, welches die Einheimischen „an ihre traditionellen Werte erinnern soll“. Nun ja... Interessanter fand ich dann doch das gleichnamige angrenzende Museum in einem authentischen Bauernhof mit alten Arbeitsgeräten und historischen Photographien. Noch besser informiert die Villa Agrícola El Patio, welche einige Minuten weiter in Tiagua in unmittelbarer Nähe der verfallenen Windmühlen zu finden ist. Ein großflächig angelegtes ehemaliges Landgut, liebevoll restauriert, mit Bodega, Gärten, Mühle, alten landwirtschaftlichen Geräten in Ausstellungsräumen und einigen Tieren. Ein klassisches Freilichtmuseum für Kinder und Erwachsene eben.

Ein Stück authentisches Lanzarote

Teguise, die alte Inselhauptstadt mit ihren prunkvollen Kirchen und Palästen, welche nach einer Guanchenprinzessin benannt wurde, solltet Ihr Euch nicht entgehen lassen. Unter der Woche wirken die alten mächtigen Mauern abweisend wie eine Trutzburg und erinnern eher an eine südamerikanische Provinzstadt aus der Kolonialzeit. Wer jedoch von wem abgeschaut hat, wird klar, wenn man sich die fast 600jährige Geschichte der Siedlung vergegenwärtigt. Über Jahrhunderte hinweg hatten die Einwohner trotz exponierter Lage unter ständigen Piratenüberfällen zu leiden, daher auch die festungsartige Bauweise, die bis heute dem Ansturm der touristischen Infrastrukturen stand gehalten hat. Sonntags aber ist hier Markt (landwirtschaftliche Erzeugnisse, Kleidung, Vieh, Schmuck, Kunst, Kitsch und jede Menge Souvenirs) und zahlreiche Aussteiger, Bauern und Kunsthandwerker aus allen Ecken Lanzarotes bessern sich hier ihr Einkommen über den direkten Kontakt mit den Touristen auf. Vor einer Fahrt mit dem Leihwagen in das Zentrum hinein ist dringend abzuraten, es herrscht das totale Verkehrschaos und man lässt die Kutsche am besten vor der Stadt am Straßenrand stehen (die umliegenden Felder sind gebührenpflichtig!)und geht die wenigen hundert Meter zu Fuß. Solch ein Besuch lässt sich hervorragend mit einer Besichtigung des Palacio Spinola kombinieren (Samstag/Sonntag von 9.30 bis 13.30 Uhr, Montag – Freitag 9.00 – 15.00 Uhr, Mittwoch geschlossen). Selten hat man Gelegenheit, einmal die üppigen Gemächer des alten kanarischen Adels von innen zu betrachten. Während draußen das Leben in der sengenden Hitze brodelt (Teguise liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen Ost- und Westküste), herrschen in den alten Räumen angenehme Kühle und Stille, ein Ambiente, welches auch der kanarische Präsident bei seinen Inselaufenthalten bevorzugt. Gedeckte Tafeln, alte steinerne Raumbefeuchter, üppige Grünpflanzen, quietschende Dielenböden malerische Innenhöfe – schöner kann man auf Lanzarote nicht logieren. Wenn noch Zeit bleibt, kann ich auch einen Abstecher zum Castillo de Santa Barbara am Ortsrand empfehlen: Nicht nur wegen der wuchtigen Burg, sondern auch aufgrund der Lage auf einem alten Vulkankrater. Die Sicht von oben auf die erodierenden Flanken des Berges und das weite Umland, inbesondere bei gutem Wetter, ist überwältigend. Ich rate jedoch zur Vorsicht während des Kletterns, denn überall drohen Löcher und Gräben. Ich habe mir dort einen Bänderriss zugezogen und auf Lanzarote wollen die Ärzte Bargeld sehen! Sehenswert sind außerdem der Convento de Santo Domingo, ein ehemaliges Dominikanerkloster, welches heute als Rathaus genutzt wird, die Pfarrkirche San Miguel, das alte Zehnthaus und der Convento de San Francisco. Die zahllosen ursprünglichen Tapas-Bars und Bodegas mit stilechten dunklen Einrichtungen sind in den Touristenhochburgen an der Küste so gut wie gar nicht mehr anzutreffen – also nicht entgehen lassen.

Zusammenfassung

Lanzarote zieht diejenigen, die vor weitgehend vegetationsloser Wüste nicht zurückschrecken, in ihren Bann:

Die negativen Begleiterscheinungen des ungebremsten Massentourismus sind unübersehbar:

Sonstige Sehenswürdigkeiten

Unterkunfttipps

Für Sportfanatiker die Clubanlage La Santa im Westen. Sie diente bereits mehreren Dokumentationen im Fernsehen als Schauplatz, hat zwar keine hohen Zimmerkategorien, dafür aber Anlagen mit Olympiaformat zu bieten: Leichtathletikstadion, 50-Meter-Becken, Fitnessstudio, ärztliche Betreuung, Segelhafen, Tauchstation, Fahrradverleih, Sportanimation rund um die Uhr usw. Viele Topathleten bereiten sich hier auf ihre Wettkämpfe vor. Nicht ohne Grund pflegt man auf Lanzarote jedes Jahr den Ironman, die Königsdisziplin des Triathlon, auszutragen.

Sonnenuntergang über La Geria

Empfohlene Ferienorte

Costa Teguise, Playa Blanca, Playa Quemada (Privatzimmer für Individualreisende)

Lokale

Papa Loca an der Plaza Léon y Castillo in Haría (hervorragende Papas Arrugadas), La Era (Yaiza) mit wunderschön begrüntem Innenhof, Bodega El Chupadero (La Geria), mehrere einfache Fischerkneipen in Arrieta oder Playa Quemada