Ein jeder, der die Insel Rügen mit einem fahrbaren Untersatz erobern will, kommt an der ehemaligen Hansestadt am Strelasund vorbei. Der Rügendamm und die 2007 fertig gestellte Rügenbrücke mit dem 128 Meter hohen Pylon beginnen hier. Zusammen mit Wismar wurde die sehenswerte Altstadt 2002 zum Weltkulturerbe ernannt.

St. Marien, die gewaltige spätgotische Backsteinkirche am Neuen Markt ermöglicht eine der wohl eindrucksvollsten Turmbesteigungen im mitteleuropäischen Raum. Die dreischiffige Basilika aus dem 13. Jahrhundert war bis zu einem Blitzeinschlag 1647 und dem anschließenden Einsturz der gotischen Spitze mit über 150 Metern das vermutlich höchste Bauwerk der Welt und auch heute noch vermittelt die innere Holzkonstruktion des barocken Glockenturmes einen atemberaubenden Eindruck. Eine beinahe endlose steinerne Wendeltreppe führt bis zum innenliegenden Turmrundgang. Danach geht es über zum Teil steile Stiegen durch den Holzglockenstuhl. Die mächtigen Balken tragen allein 10 Tonnen Glockengewicht und lassen erahnen, welch sonstige ungeheure Lasten damit abgefangen wurden. Von der Dachkanzel überblickt man die nahezu vollständig von Wasser umgebene Altstadt und darüber hinaus die Ausläufer von Rügen jenseits des Strelasunds. Die teilweise monumentalen Ausmaße der Schiffbauhalle der ehemaligen Volkswerft und der neuen Rügenbrücke werden von hier erst erfahrbar.

Unbestreitbares Zentrum der Altstadt ist jedoch der Alte Markt. Hier wetteifern Nikolaikirche und Rathaus um die Krone der Backsteingotik. Letzteres glänzt mit einer ähnlich prachtvollen Schaufassade zum Markt hin wie sein Pendant zu Lübeck. Der Innenhof ist von einer hölzernen Galerie umgeben und wird heute als Ladenpassage genutzt.

Unmittelbar am Hafen stoße ich über den Fährwall in das nördliche und kaum von Touristen frequentierte Ende der Altstadt vor. Hinter restaurierten Speicherhäusern gibt eine Zinnen gekrönte Mauer den Blick auf die Ruine der Kirche des Johannisklosters frei. Die Anlage wurde größtenteils im 13. und 14. Jahrhundert vom Franziskanerorden erbaut und ist eines der ältesten noch erhaltenen Gemäuer in Norddeutschland. Am Ende der ringförmigen Straße stehe ich vor dem grau-weißen Komplex des neuen Theaters (1916). Links geht es durch das mittelalterliche Kniepertor zur Schillstraße, von wo der idyllische Innenhof des Klosters abzweigt. Rund um die Jahrhunderte alten Backsteinmauern über gotischen Spitzbögen und Fachwerkhäuschen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. In der Mitte erinnert eine Stele von 1988 an die Vernichtung der Stralsunder Juden. Am Ende der Schillstraße, der Einmündung zur Fährstraße, fallen sofort zwei prächtige karminrote Giebel aus dem 17. Jahrhundert auf. Sie gehören zum Scheelehaus, dem Geburtsort des berühmten gleichnamigen Apothekers und Chemikers, welches heute als Gaststätte genutzt wird.

Das neueste Aushängeschild Stralsunds ist ohne Zweifel das Ozeaneum am Hafen, eine Außenstelle des Deutschen Meeresmuseums in der Katharinenkirche. 2008 eröffnet und zwei Jahre später gleich als Europäisches Museum des Jahres ausgezeichnet, wird es bis heute täglich von bis zu 6000 Besuchern überrannt. Gerade die Riesenaquarien üben eine magische Anziehungskraft auf kleine Kinder aus. Das Gedränge und die damit verbundene Geräuschkulisse lassen uns den Besuch in die frühen Abendstunden legen – eine vorzügliche Entscheidung, wie sich herausstellen soll.

In der Tat haben wir den weit verschachtelten Komplex nahezu alleine für uns und können in Ruhe die Fischschwärme durch die Panoramascheiben begutachten. Zwischendurch locken immer wieder große Schauvitrinen mit den Robben- und Vogelarten der Ostsee in ihrem naturnahen Umfeld. Hochinteressant ist auch ein abgedunkelter separater Saal mit technischen Forschungsobjekten wie einem Tiefseetauchboot im Originalzustand und zahlreichen Präparaten unheimlicher Meeresbewohner.

Auf dem Dach des Ozeaneums erwartet uns nicht nur Stralsunds Altstadtsilhouette im Licht der untergehenden Sonne, sondern zugleich eine Schar putziger Humboldtpinguine in ihrem Außengehege.

Die Ausstellung schließt mit dem Höhepunkt in einem 20 Meter hohen Raum: Originalgetreue Modelle der bekanntesten Meeresriesen – Blauwal, Buckelwal, Schwertwal, Pottwal, Riesenkalmar, Mondfisch und Mantarochen – schweben über unseren Köpfen. Eine in Zusammenarbeit mit Greenpeace entwickelte, etwa zehnminütige Multimediashow erläutert die bedrohenden Faktoren für deren Fortbestand, während die Besucher auf bequemen Liegen die Perspektive am Grund des Ozeans einnehmen.