Annaberg-Lungötz

Alpendorf Dachstein West Unser diesjähriges Domizil in der Region Tennengau / Salzburger Land liegt im Lammertal. Eine von 90 hölzernen Skihütten innerhalb des Alpendorfs Dachstein West konnten wir im März über die bewährte Plattform FeWo-direkt noch ergattern. Auf zwei Ebenen und insgesamt 90 Quadratmetern lässt es sich mit sechs Personen gut aushalten – kommt ja auch noch eine großzügige sonnige Terrasse hinzu, auf der sich das gemeinschaftliche Leben abspielt. Üppiges Tafeln im Freien ist somit schon mal gesichert, und am nächsten Tag ist der reklamierte Sonnenschirm auch da. In diesem Seitental der Lammer gibt es abgesehen von unserem Ferienresort keine gewachsene Ortschaft. Entsprechend ruhig geht es hier zu. Nach Einbruch der Dunkelheit beginnt ein Himmelsschauspiel, wie man es als Stadtbewohner gewöhnlich nie erlebt: Abertausende von Sternen eingebettet in den langgestreckten Nebel der Milchstraße, Tierkreiszeichen, die man sonst nur vom Hörensagen kennt und ein bis zweimal in der Nacht kreuzt zu einem minutengenau vorhergesagten Zeitpunkt das hellste Objekt das Firmament von West nach Ost: Die Internationale Raumstation. Da nimmt man auch gerne den steilen Anstieg von der Straße am Rauchenbach bis hoch an den Waldrand in Kauf.

Riedlkopf - Zypressen-Wolfsmilch und Alpen-Glockenblumen Bei Tageslicht ist die Talstation der Donnerkogelbahn auf der anderen Seite des Bachs auszumachen. Freundlicherweise lässt man die sonst in der Skisaison stark frequentierte Seilbahn auch in den Sommermonaten am Montag, Mittwoch und Freitag fahren, so dass wir diese mit der obligatorischen Tennengau-Karte kostenlos nutzen dürfen. Das Skigebiet Dachstein West mutiert zur warmen Jahreszeit zu einem Wanderparadies mit blühenden Almwiesen.

Zwieselalmhütte (1436 m) Bereits von der Bergstation aus erblicken wir unten im Tal die Rottenhofhütte – beinahe in Rufweite und ohne nennenswerte Anstrengung ist man dort. Das ist uns zu nah für die erste Brotzeit, daher tut's auch der Willkommensschnaps. Nächstes Ziel ist die 300 Jahre alte Zwieselalmhütte, zu der schon die agile Kaiserin Sisi gewandert ist, während ihre unsportliche Köchin in einer Sänfte schimpfend von kräftigen Einheimischen hinterher getragen wurde. Im einfachen Holzhaus soll sie mehrere Nächte fernab vom Hof verbracht haben … wenn das nicht Ansporn genug ist, es ihr gleich zu tun! Nach etwa einer Stunde sind wir dort und gönnen uns Kaiserschmarrn, Kaspressknödelsuppe und Radler. Wer nun glaubt, damit wäre das Tagewerk vollbracht, kann gerne weiter träumen.

Direkt hinter den Hütten beginnt der Aufstieg zur Zwieselalmhöhe. Das dauert nochmal eine knappe halbe Stunde und zieht sich. Auf der 1587 Meter hohen Kuppe haben Marketingexperten das ‚Gosaunet-Platzerl‘ eingerichtet. Umgeben von erläuternden Panoramatafeln blickt man auf das majestätische Dachsteinmassiv, den Gosaukamm, einen westlichen Ausläufer des Dachsteingebirges und die Bergstationen zweier Skilifte. Weiter vorne am Rand des Plateaus bewundern wir den friedlich im Tal liegenden Vorderen Gosausee – eine nahezu perfekte Alpenidylle!

Zwieselalmhöhe (1587 m) - Bergstationen Panorama Jet Zwieselalm, Hochkögllift, Gosaunet-Platzerl (im Hintergrund Dachsteinmassiv und Gosaukamm mit Bischofsmütze, Großwand, Mandlkogel, Donnerkogel)

Im weiteren Verlauf des Wanderweges geht es zu einer Hütte mit dem vielversprechenden Namen ‚Ausblick‘, direkt neben der Sonnenalm gelegen. Dieser ist in der Tat famos und wir genehmigen uns Angesichts dessen noch einen gepflegten Absacker, um dann mal nebenbei vom Wirt zu erfahren, dass es bis zur Bergstation eine volle dreiviertel Stunde braucht ... aber nur, wenn man den direkten Weg quer über die Alm und vorbei an finster dreinblickenden Kühen beschreitet. Na prima, auf geht's Buam und Madels! Ein Pfad ist auf der hügeligen Wiese nicht erkennbar, also ist erhöhte Aufmerksamkeit bei jedem Tritt gefragt. Als das Ziel schon beinahe greifbar ist, verschwindet es hinter dem Hügel und die wenigen hundert Meter steilen Anstiegs gestalten sich zu einer schweißtreibenden und atemlosen Herausforderung. Knapp 15 Minuten vor der letzten Talfahrt stehen wir endlich vor der Station.

Hallein

Salzwelten - Auf dem Arschleder in die Tiefe

Salzwelten am Dürrnberg - Grubenbahn Die Salzwelten am Dürrnberg, das älteste Schaubergwerk der Welt – ein Klassiker! Der Andrang war schon bei unserem ersten Besuch 2008 enorm und hat heuer noch einmal zugelegt. Mit dem Kauf des Tickets sind wir noch lange nicht drin im Berg, denn an der Kassa eröffnet man uns feierlich, dass wir der Führung in knapp 1 ½ Stunden zugeteilt wurden (schluck!). Was tun in der Zwischenzeit? Aus lauter Verzweiflung tippeln wir im Salzburger Schnürlregen über die glitschigen Stufen des benachbarten keltischen Museumsdorfs. Nach 30 Minuten sind wir durch und versuchen im völlig überfüllten Casinobereich noch einen Snack und Sitzplätze zu ergattern. Punkt 14.30 Uhr geht es aber dann zügig voran, zunächst in einen Vorraum mit einer Ausgabestelle für die Schutzkleidung. Gegen die konstanten 10 Grad im Bergwerk haben wir uns bereits selbst gewappnet, obendrüber kommen jetzt nochmal grobe weiße Baumwolljacken und -hosen zum Schutz vor Beschädigungen und Nässe. Wir sehen aus wie eine Spezialeinheit aus einem Atomkraftwerk.

Dann geht es auch schon auf die Grubenbahn: Alle sitzen hintereinander wie auf einem Bock, bekommen letzte Instruktionen („Schöön siitzeen bleibeen, nicht zur Seitee lehneen!"), die putzige Elektrolok fährt los. Ein kühler Wind schlägt einem entgegen, während der Zug immer tiefer in den Berg hinein poltert. Nach rund 600 Metern ist Endstation. Alle absteigen und durch dunkle Stollen der Führerin hinterher. Bald haben wir den ersten Raum erreicht und es folgt eine Erläuterung zur Jahrtausende alten Geschichte des Salzabbaus in dieser Gegend. Der darauffolgende Film mit theatralischen Spielszenen ist tatsächlich lustig und hat den Aufstieg Wolf Dietrichs von Raitenau, des Fürsterzbischofs von Salzburg zum superreichen Salzbaron zum Thema. Dank dessen Innovationskraft wurde die Soleproduktion in ungeahnte Höhen gesteigert, was u.a. eine Folge des deutlich effizienteren Laugverfahrens war. Mit den so generierten Einnahmen ließ sich die Umgestaltung Salzburgs zur heutigen pompösen Barockstadt finanzieren.

Salzwelten am Dürrnberg - Bergmannsrutsche Im nächsten Stollen stehen wir wenig später vor der ersten von zwei hölzernen Bergmannsrutschen auf unserer Führung. In Zweiergruppen schlittern wir auf dem Hosenboden 27 Meter in rasantem Tempo in die Tiefe. Lediglich eine asiatische Familie kapituliert als einzige aus der ganzen Gruppe und nimmt lieber die Holzstiegen. Anschließend passieren wir erstmalig die unterirdische Staatsgrenze zwischen dem Land Salzburg und Bayern. Aufgrund eines bis heute gültigen Vertrags war es den Österreichern tatsächlich erlaubt, auch auf der deutschen Seite Salz abzubauen.

Bald stehen wir in einer zur Kapelle ausgebauten Kaverne. Es folgen weitere Episoden über Wolf Dietrich, seine Frauengeschichten und seine Salzkriege gegen die Bayern, welche ihm schlussendlich eine lebenslange Festungshaft auf Hohensalzburg einbrachten.

Der Höhepunkt der Führung, die Floßfahrt über den Salzsee, ist natürlich eine Inszenierung mit Lichteffekten und sphärischen Klängen. Meines Erachtens driftet das Ganze nun doch etwas in Richtung Edelkitsch. Der relativ flache weitläufige Raum diente wohl ursprünglich mal zur Sammlung der Sole, bevor diese über Leitungen nach draußen befördert wurde.

Die zweite Rutsche bringt es schließlich auf 42 Meter. Das gesamte Stollensystem wird bis heute regelmäßig von Bergleuten erweitert. Der enorme Druck der darüber liegenden Felsmassen lässt die Hohlräume im Berg immer wieder zusammen schrumpfen, erkennbar an den wie Streichhölzer geknickten Holzstempeln in den nicht mehr gewarteten Stollen.

Salzwelten am Dürrnberg - keltischer 'Salzmann' Ein zweites Mal geht es über die Grenze zurück nach Österreich, bevor wir einen mit steinernen Wandbildern ausgestatteten Raum erreichen. In einer Ecke hat man die schaurige Fundsituation eines Mannes im Salz aus dem 16. Jahrhundert nachgestellt. Damals entdeckten Bergleute beim Abbau nacheinander zwei vollständig erhaltene mumifizierte Leichen aus der keltischen Zeit des Salzabbaus.

Bevor wir nun die Rolltreppe hinauf zum Ausgangsstollen betreten und uns nun wieder auf die Grubenbahn schwingen, erhält jeder Teilnehmer einen Salzstreuer zur Erinnerung.

Abtenau

Pfarrkirche Abtenau Heiliger Blasius (ab 1313; 1501; 1659) Ungefähr in der Ortsmitte erhebt sich die Pfarrkirche Abtenau Heiliger Blasius. Der bemerkenswerte Bau wurde ab 1313 errichtet und im 16. und 17. Jahrhundert umgestaltet. Leider können wir da heute nicht rein, da gerade ein Trauergottesdienst stattfindet. Der angrenzende Friedhof mit seinen zahllosen Metallkreuzen ist jedoch ebenso sehenswert.

Lammerklamm

Die Macht des Wassers

Lammerklamm - 'Dunkle Klamm' Der Besuch einer Klamm war schon immer einer der Höhepunkte eines Österreichurlaubs, denn nur dort erreichen enge Felsschluchten mit tosenden Bachläufen an ihrem Grund solche Dimensionen. Da wir bereits im Lammertal logieren, fällt die Auswahl an diesem Tag nicht schwer. An einer stark befahrenen Kurve zweigt ein eng bemessener Parkplatz ab und gleich dahinter befindet sich auch schon der Einstieg in das Tal. 5 bzw. 3 € pro Nase sind zu entrichten, dann geht es links und rechts entlang des Wassers weiter. Wir klettern zunächst zahllose Stufen in die sogenannte 'Dunkle Klamm', die engste Stelle des Lammerdurchbruchs, hinab. Der Weg führt an Überhängen vorbei und wurde regelrecht in den Fels hineingeschlagen. Nirgendwo kommt man den ausgewaschenen Felswänden so nah, über unseren Köpfen scheinen sie zu einem Dom zusammen zu wachsen. Kein Sonnenstrahl schafft es bis hier hinunter, das Donnern der Wassermassen übertönt jedes Gespräch. Die Urgewalt ist regelrecht greifbar und die markierten historischen Höchststände sind ein Beleg, mit welcher Wucht die Erosion das Gestein geformt hat.

Lammerklamm Wieder oben am Eingang geht es nun weiter in den langen Teil der Schlucht, in welcher die Lammer über zahllose Kaskaden durch den Berg bricht. An einigen Stellen haben sich kleine Staubecken gebildet, welche über rundgeschliffene Felsen erklettert werden können. Die umgangssprachlich auch Lammeröfen genannten Stromschnellen sind international als enorme Herausforderung unter gut trainierten Raftern bekannt. Allerdings ist das Befahren nur bei ausreichendem Wasserstand überhaupt denkbar. Heute ist dies zu unserer Enttäuschung nicht der Fall.

Lammerklamm- Brücke Kurz vor dem Ausgang des Tals dann ein weiterer Höhepunkt: Über eine Engstelle führt eine Brücke auf die andere Seite der Klamm. Oben in etwa 15 Metern Höhe über dem reißenden Bach stehen zwei feixende einheimische Jugendliche in Badehose und messen anhand herabfallender Felsbrocken die Tiefe des winzigen Wasserbeckens direkt unterhalb. Wir sind fassungslos vor so viel lebensgefährlichem Übermut und versuchen, die Jungs mit allerlei stichhaltigen Argumenten von ihrem Vorhaben abzubringen. Klar, als deutsche Flachlandbewohner stehen wir vor den österreichischen Draufgängern als Hasenfüße da. Aber so lange wir sie bearbeiten, machen sie keine Anstalten zu springen.

Der reißende Bach mündet schließlich in einem breiten flachen Flussbett, welches sich tatsächlich gut zum Schwimmen eignet. Ein paar holländische Pfadfinder probieren es auch aus – unter spitzen Schreien, so unfassbar kalt muss es sein. Draußen ist es eher schwül-heiß und nachdem wir das Ausgangstor passiert haben, führt der direkte Weg am Bach entlang in den Landgasthof Lammerklause. Nachdem wir uns mit einigen Radlern der Firma Gösser, Kaspressknödelsuppen und Schnitzeln wieder in Form gebracht haben, geht es mit der gleichen Eintrittskarte durch die elektronische Zugangskontrolle wieder in die Klamm. Auf dem Rückweg bestaunen wir das mächtige Spektakel unter verändertem Lichteinfall noch einmal aus einer anderen Perspektive.

Dachstein Krippenstein

Im Angesicht der Gletscher

Lange haben wir überlegt, ob eine Fahrt auf das Dachsteingebirge, von welcher Seite auch immer, wirklich lohnenswert ist. Manche schwören ja auf den Sonnenaufgang, was natürlich die Bereitschaft eines einzelnen voraus setzt, sich zu nachtschlafender Zeit mit Aufstieg bzw. Auffahrt zu beschäftigen. Da dies eher nicht der Fall war, galt es also lediglich zu entscheiden, ob wir von Ramsau mit der Südwandbahn auf den Hunerkogel (2700 m) und somit direkt auf das Hauptmassiv mit seinem gläsernen Skywalk oder doch lieber mit der Dachstein-Bahn von Obertraun auf den Hohen Krippenstein fahren wollten. Die erste Option schlägt mit happigen 94 € für Berg- und Talfahrt je Familie zu Buche, überwindet fast 1000 Höhenmeter und beinhaltet bereits die Verrechnung der gebührenpflichtigen Straße bis zur Bergstation, aber keinen sonstigen Firlefanz wie Eispalast oder Hängebrücke. Die Auffahrt in den Nordteil geht zwar nur auf 2069 Meter, schafft dabei aber stolze 1469 Höhenmeter und kommt immer noch auf 72 €, welche wir zähneknirschend akzeptieren.

Die Hinfahrt erfolgt entlang des Hallstätter Sees und – man glaubt es kaum – mitten durch Hallstatt bzw. hauptsächlich durch Tunnels, die man drum herum gebohrt hat. Der Ort ist berüchtigt für asiatische Völkerwanderungen, seitdem Südkoreaner dort eine Fernsehserie gedreht und irgendwelche chinesischen Vermarktungsstrategen ihn zur alpinen Musteridylle auserkoren haben. Seitdem wird der kleine Flecken am See mit noch nicht mal 800 Einwohnern von bis zu 900.000 Touristen jährlich nieder getrampelt. Inzwischen hat man das oberösterreichische Dorf sogar originalgetreu im Reich der Mitte nachgebaut.

Dachstein Krippenstein-Seilbahn - Talstation Obertraun (600 m) Die Talstation in Obertraun besteht aus dem 1951 entstandenen Gebäude der ursprünglichen Bahn. Eine Gondel aus dieser Zeit hat man fotogen vor den Eingang platziert. Die heutige Strecke wurde 2007 neu gebaut und führt zur ersten Zwischenstation Schönbergalm auf 1340 Meter. Von dort geht es nahtlos auf die zweite Teilstrecke, auf der die Kabine in atemberaubendem Tempo über zerfurchte Karrenfelder jenseits der Baumgrenze bis auf die Bergstation Krippenstein rast.

Dachsteinmassiv - 'Welterbeblick': Hoher Gjaidstein (2794 m), Hoher Dachstein (2995 m), Niederer Dachstein (2934 m), Taubenkogel (2301 m), Hohes Kreuz (2837 m) Der wahrhaftige Grund für diesen exorbitant teuren Ausflug liegt zum Greifen nah, als wir das Gebäude verlassen: Der atemberaubende 'Weltnaturerbeblick' auf das Dachsteinmassiv hat sämtliche Superlative wahrlich verdient. Zusammen mit dem inneren Salzkammergut wurde es 1997 von der UNESCO zum Welterbe der Menschheit ernannt. Das außerordentliche Zusammentreffen einer Naturlandschaft von einzigartiger Schönheit aus Gletschern, Höhlen, Steilwänden und Seenlandschaften mit den Spuren früher keltischer Besiedlung und der wirtschaftlichen Nutzung durch den Salzbergbau war dabei ausschlaggebend. Nach dem berühmten Gräberfeld aus der Eisenzeit oberhalb von Hallstatt wurde sogar eine ganze Epoche benannt. Der Gipfelkette aus mehreren Fastdreitausendern ist der Hallstätter Gletscher vorgelagert. Je nach Sonneneinfall und Wolkenbewegung ergeben sich immer wieder neue phantastische Lichtspiele auf dem Eis. Der schneebedeckte Dachstein hat für Österreich eine ähnliche Symbolkraft wie das noch berühmtere Matterhorn für die Schweiz. In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels ist dieses Bild allerdings eine Momentaufnahme. Sollte sich das rasante Abschmelzen der Gletscher ungebremst fortsetzen, werden unsere nachfolgenden Generationen dieses Naturdenkmal und andere Relikte der letzten Eiszeit nur noch aus Bildern kennenlernen. Mit dem entsprechenden Wehmut setzen wir unseren Weg fort.

Paraglider über dem Hallstätter See Ein Schotterweg führt den nächsten Hügel hinauf. Rechts auf einer Anhöhe steht die Heilbronner Kapelle, errichtet zum Gedenken an ein fürchterliches Unglück an Ostern 1954, als 10 Schüler und drei Lehrer aus der schwäbischen Stadt in einem Schneesturm am Krippenstein ums Leben kamen. Weiter unten an einem Wiesenhang breiten Paraglider ihre riesigen Schirme aus und machen sich bereit zum Sprung. Einer nach dem anderen hebt ab, wird wie von Geisterhand nach oben gezogen und verschwindet zunächst aus unserem Blickfeld. Wenig später tauchen die Gleitschirme fotogen vor dem spektakulären Panorama des Hallstätter Sees wieder auf, um danach langsam wie an einer Perlenkette Richtung Landeplatz in Obertraun zu entschwinden.

Krippenstein - Aussichtsplattform ‚Five Fingers‘ Am Ende der Wanderung stehen wir vor den ‚Five Fingers‘, einer neumodischen Aussichtsplattform in Form einer Hand über einem 400 Meter tiefen Abgrund. Sowohl Metallgitter- als auch Glasböden sollen den Adrenalinkick nochmals verstärken und für das Familienalbum wurde sogar gleich vor Ort ein Bilderrahmen installiert … wenn man nur auf das Gebilde drauf käme. Leider haben sich einige Selfiefetischisten der härtesten Sorte dort positioniert, um immer neue Beweise ihres Todesmutes zu fabrizieren: „Ich – Sekunden vor dem Abgrund!" „Mein Überlebenskampf über dem Abgrund!" „Aus und vorbei: Auf dem Weg in den Abgrund!" Es gibt auch abseits dieser Touristenattraktion genug zu bestaunen: Schneezungen, eine seltene Gletscherflora, Geröllfelder und immer wieder die Erhabenheit der endlosen Wasser des Hallstätter Sees.

Loseggalm - Langfeldhütte

Loseggalm - im Hintergrund Gosaukamm mit Großer Donnerkogel (2054 m), Mandlkogel (2279 m), Großwand (2415 m), Große Bischofsmütze (2458 m) Die Suche nach regionalem Käse und geistigen Elaboraten treibt uns vom Parkplatz Mauerreith durch einen dichten Bergwald mit mächtigen Weißtannen hinauf über Almwiesen und vorbei an wie üblich Wege lagernden Kühen. Nach einer guten Stunde haben wir in 1460 Metern Höhe die idyllische, unterhalb eines kleinen Hanges gelegene Loseggalm erreicht. Inmitten von saftigen grünen Wiesen liegt die 400 Jahre alte Langfeldhütte. Hier kommt man nur zu Fuß hoch und auch sonst scheint der Biobetrieb von der Außenwelt abgeschnitten zu sein: Die liebevoll dekorierten Almtoiletten sind ganz traditionell über einer Grube errichtet. Zur Jausen sitzt man draußen (*haha*) in Sichtweite zur Bischofsmütze, dem markanten Gipfel des Gosaukammes im Dachsteingebirge. Der Almkäse aus eigener Sennerei wird direkt aus einem abseits gelegenen Kühlraum verkauft. Eine weitere Spezialität, der Zirpenschnaps, ist aus den Zapfen der äußerst frostbeständigen Zirpelkiefer, welche erst ab Höhen von 1300 Metern anzutreffen ist, gebrannt oder besser gesagt angesetzt. Aufgrund der Sammelbeschränkung in einigen Regionen ist es gar nicht so einfach, diese Rarität zu erwerben. Nachdem wir diesen zusammen mit dem Kas‘ an Ort und Stelle verkostet und für gut befunden haben, nehmen wir jeweils einen halben Liter und einige Stücke mit.

Golling

Die Blaupause eines Wasserfalls

„Heut' geht's zu den Krimmler Wasserfällen!" hatte einst mein Herr Papa in einem Sommerurlaub um 1975 herum am Zeller See feierlich verkündet. Von dort an war ich kleiner Bub wie elektrisiert, zumal ich als passionierter Karl-May-Experte nach 'Schatz im Silbersee' und anderen cineastischen Meisterwerken eine konkrete Vorstellung besaß, wie ein ordentlicher Wasserfall auszusehen hatte. An das Erlebnis – immerhin handelte es sich hier um Europas höchsten Wasserfall – habe ich heute keine Erinnerungen mehr. Ein paar Jahre später, Anfang der 80er, holte Papa dann zum ultimativen Paukenschlag aus, als er auf dem Rückweg von einem verkorksten Jugoslawienurlaub in der Gluthitze zielstrebig die Plitvicer Seen im heutigen Kroatien ansteuerte. Ein wahrer Kenner weiß, was das bedeutet: Hier wurde in den 60ern ein Kinofilm gedreht, aber nicht irgendeiner, sondern 'Der Schatz im Silbersee', die Mutter aller Filme mit dem zentralen Thema Wasserfälle! Meine Erwartungshaltung war so enorm, dass dieses Vorhaben nur schief gehen konnte. Und so kam es dann auch: Das örtliche Hotel war nicht nur ausgebucht, sondern zudem exorbitant teuer. Maßlos enttäuscht fuhren wir dann weiter bis kurz hinter das Dreiländereck nach Hermagor in Kärnten, wo uns mitten in der Hauptsaison eine gnädige Pensionswirtin noch ein paar freie Zimmer überließ und wir statt tosender Kaskaden den still daliegenden Presseggersee betrachteten.

Nach so vielen Jahren mal wieder einen Wasserfall in Österreich anzusteuern hat also etwas Nostalgisches. In diesem Sommer wird Europa wieder einmal von einer Hitzewelle sondergleichen heimgesucht. In Deutschland sind mit Höchstwerte jenseits der 40° neue Allzeithochs zu erwarten und auch hier mitten in den luftigen Alpen wird es in den Tälern mit 35° ungewöhnlich stickig. So ein Wasserspektakel verspricht also eine willkommene Erfrischung zu werden.

Bevor wir das Naturspektakel erreichen, ist zunächst eine teils verwirrende, teils nervige Anfahrt über die Wasserfallstraße angesagt. Diese beginnt bereits mitten im Zentrum von Golling, führt über die Salzach durch die Ortsteile Hofer und Lacher unter der A10 hindurch und verengt sich am Ende zu einer Gasse mit Gegenverkehr und zahllosen Parkverbotsschildern, bis wir schließlich auf einer Wiese neben dem örtlichen Campingplatz zum Stehen kommen.

Gollinger Wasserfall - untere Kaskade Wie nicht anders zu erwarten ist der Andrang enorm: Auf dem Weg nach oben vorbei an den Kaskaden des Schwarzbachs über enge Pfade, Felstreppen und Holzstiegen kommt es aufgrund entgegenkommender Wandergruppen immer wieder zum Stillstand. Auf diese Weise bleibt genug Zeit, um eine der beiden alten Mühlen zwischen den Baumstämmen zu erspähen. Nach einer Kurve schlägt mir ein kalter Wind entgegen, die Außentemperatur fällt im nächsten Moment von schwülen 33 auf unter 20 Grad. Kein Wunder, denn das Wasser aus dem Berg hat ganzjährig konstante 5-6 Grad und erzeugt somit einen enormen Kaltluftstrom. Bereits von weitem ist das Donnern der Wassermassen zu vernehmen. Als wir die untere Stufe des Falls erreichen, stehen wir vor einer 25 Meter hohen Kaskade, welche sich in ein Naturbecken ergießt, um sich dann als reißender Bach weiter auf den Weg Richtung Salzach zu machen. Die Luft ist erfüllt von feinstem Wasserstaub. Ein beeindruckendes Spektakel, aber der Höhepunkt steht noch bevor …

Gollinger Wasserfall - Kesselabfluss des oberen Falls Weitere steile Treppen und eine stählerne Brücke später steht man vor einem riesigen Loch im Felsen. Dahinter ergießt sich der obere Fall in einen dunklen Trichter, aus dem sich das Wasser den weiteren Weg an einem mächtigen Felsblock vorbei ins Tal sucht. Die ganze Umgebung ist in feuchtem Nebel getaucht, die von einem glitschigen Algenfilm überzogenen Holzgeländer bieten keinen Halt – eine magische Szene wie aus einem Indiana-Jones-Abenteuer. Etwa 75 Meter weiter oben haben wir den Ausgangspunkt des Spektakels erreicht: Der Quelltopf der Schwarzbachfall-Höhle, einer Karstquelle des Göllstocks. Alten Überlieferungen zu Folge sollte dieser aus dem höher gelegenen Königsee in Berchtesgaden gespeist werden, was mittlerweile als widerlegt gilt. Ein mystischer Ort, welchem weiter unten am Fuß des Wasserfalls auf einem steinernen Obelisken durch Ernest Fürst von Schwarzenberg gehuldigt wurde.