Durchs heilige Land getrieben

1995 befanden wir uns auf einem Kurztrip von Zypern nach Israel und Ägypten, um heraus zu finden, was man eben mal in drei Tagen maximal sehen kann. Mit einem schwer in die Tage gekommenen ‚Kreuzfahrtschiff’ stachen wir am frühen Abend in Limassol in See. Es folgte der übliche Firlefanz mit Rettungswesten, Ansprache des Kapitäns und Kampf ums Büffet im viel zu kleinen Speisedeck. Untergebracht waren wir in einer stickigen Innenkabine tief im Bauch des Bootes: Höllenlärm wie in einem Maschinenraum und Bullenhitze trotz Klimaanlage, die dann auch noch die ganze Nacht hindurch geblasen hat und gleichzeitig sämtliche Luftfeuchtigkeit absorbierte. An Schlaf war da nicht zu denken, aber na ja, man war halt jung, irgendwie gerade im Nahen Osten und es durfte nichts kosten ...

Am nächsten morgen legten wir in Haifa an und die israelische Armee enterte kurzerhand das Schiff, was sich dann aber lediglich als vereinfachte Passkontrolle entpuppte. Vor uns saß eine etwa achtzehnjährige Rekrutin im Kampfanzug und haute Stempel auf Einlegekarten für unsere Pässe. Das hatte einen konkreten Grund: Mit einem israelischen Stempel im Pass hätte man in keinem arabischen Staat die Grenze mehr passieren können, was uns die hiesigen Behörden freundlicherweise ersparen wollten. Auf der anderen Seite sollen vor 1928 geborene deutsche Staatsbürger aus nachvollziehbaren Gründen nicht ohne genauere Überprüfung ins Land gelassen werden.

Nachdem sich die Sicherheitskräfte schließlich von unserer Harmlosigkeit überzeugt hatten, durften wir endlich an Land und gleich rein in den Bus Richtung Jerusalem. Die Fahrt durch intensiv künstlich bewässerte Landstriche ließ die erwartete biblische Kargheit vermissen. Etliche Kilometer vor der heiligen Stadt kam der komplette Verkehr zum Stillstand. Der Grund: Bundeskanzler Kohl auf Staatsbesuch.

Gefühlte Stunden später kamen wir doch noch in der Altstadt an, wurden durch selbige getrieben, in die Grabeskirche hinein und vorbei an all den zweifelhaften heiligen Orten innerhalb dieses uralten Gemäuers, deren Bedeutung sich lediglich aus Überlieferten Traditionen erschließt: Grabeskapelle, Salbungsstein, Golgatafelsen, Adamskapelle und Katholikon. Richtig konfus stellt sich die Situation für außen stehende Besucher allerdings dar, wenn einem bewusst wird, dass sich mittlerweile sechs christliche Konfessionen in teilweise wüsten Schlägereien um das Recht zanken, wer wann und wo zuerst beten darf und dass aus diesem Grund seit Jahrhunderten zwei moslemische Familien die Schlüsselgewalt über eines der größten christlichen Heiligtümer innehaben.

Trotz des enormen Zeitdrucks durfte natürlich ein abschließender Besuch an der Klagemauer nicht fehlen. Für allgemeine Erheiterung sorgte ein als König David verkleideter Harfenspieler, der nicht nur himmlische Klänge vor den Ruinen der Westmauer des Tempelberges produzierte, sondern obendrein wirres Zeug im biblischen Gewand von sich gab – die Hitze. Schwer bewacht von israelischen Soldaten und von Sicherheitsschleusen umgeben beten an der westlichen Stützmauer Juden nach Frauen und Männern getrennt, wobei der Zugang auch Andersgläubigen gewährt wird, sofern sie sich den Regeln entsprechend verhalten – Männer mit Kopfbedeckung! Dass man allerdings in christlichen Gebetsstätten selbige abnehmen sollte, musste erst unser (jüdischer!) Reiseleiter einigen Mitreisenden in der deutschen evangelischen Erlöserkirche erklären ...

Das war’s dann auch schon mit Jerusalem und der Bus düste weiter nach Bethlehem mitten ins heutige palästinensische Westjordanland, wo die Geburtskirche auf dem Programm steht. Die dortigen Rechtsverhältnisse unter den einzelnen Konfessionen rund um die Geburtsgrotte Jesu sind nicht minder verwirrend, was u. a. die katholische Kirche dazu veranlasste, einen silbernen Stern an der nach ihrer Meinung vermeintlichen Geburtsstelle anzubringen und mit der Katharinenkirche ein eigenes Gotteshaus direkt daneben zu errichten.

Es folgte ein kurzer Stopp an einem zu groß geratenen Souvenirladen, wo man allerlei Keramik mit hebräischen Grüßen erstehen konnte – wohlgemerkt im palästinensischen Siedlungsgebiet! Aber solche Einnahmequellen lassen sogar kurzzeitig alte Feindseligkeiten vergessen.

Danach ging es zur obligatorischen, als Besichtigung getarnten Verkaufsveranstaltung. Hier war es eine Diamantschleiferei, ich glaube in Netanya. Kostete unendlich viel Zeit und war im Grunde genommen uninteressant, wenn man nicht ernsthaft vorhatte, mit Klunker behangen wieder nach Hause zu fahren.

Zugeballert mit visuellen Eindrücken kehrten wir gegen Abend schließlich auf unser Schiff zurück. Dass der folgende Tag noch einmal eine Erlebnissteigerung bringen sollte, war zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen und ist Gegenstand eines anderen Berichts: ‚Der Fluch des Pharao’