Cadiz

Mit rund 3000 Jahren dürfte das phönizische Gadir nicht nur die erste größere Siedlung auf der iberischen Halbinsel, sondern eine der ältesten Städte Westeuropas sein. Die darauf folgenden Karthager machten sie zu ihrem bedeutendsten Seehandelszentrum, bevor schließlich die Römer das Heft an sich rissen und Gades zu einer der größten und bedeutendsten Städte im Reich avancierte. Die heutige Lage an der Spitze einer langgestreckten Halbinsel, fast vollständig umgeben vom Meer, ist aber auch einzigartig. Die hoch verdichtete Bebauung und das schachbrettartige Straßennetz deuten daraufhin, dass bereits zu spanischen Kolonialzeiten eine gewisse Platznot auf der damaligen Insel geherrscht haben muss. Die 126 bis heute erhaltenen Wachtürme auf den Häusern der reichen Kaufmannsfamilien zeugen vom regen Überseehandel mit den spanischen Kolonien. In der Nähe der Kathedrale finden sich Ausgrabungen eines Theaters und ehemaliger Zisternen im Casa del Obispo aus römischer Zeit.

Wie so oft erschließt sich das wahre Ausmaß einer Stadt erst durch den Blick von oben. Sowohl der Westturm der Catedral de Santa Cruz als auch der 45 Meter hohe Torre Tavira mit seiner riesigen Camera obscura offenbaren die untrennbare Verbindung Cadiz' zum Atlantik. Hier lagen die legendären spanischen Armadas vor Anker, was die verfeindeten Engländer zu mehreren spektakulären Überfällen und Plünderungen veranlasste. Von hier lief auch 1805 die französisch-spanische Flotte unter Villeneuve zu ihrer letzten Fahrt aus, bevor sie von Admiral Nelson vor Trafalgar vernichtend geschlagen wurde.

Cádiz - Catedral de Santa Cruz (1720-1838, Glocke Westturm)

Wir beginnen unsere Tour mit der Kathedrale, da das unmittelbar davor liegende römische Theater aufgrund von Sanierungsarbeiten derzeit nur durch einen Zaun zu erspähen ist. Die benachbarte Iglesia de Santa Cruz, den wesentlich älteren Vorgängerbau aus dem 13. Jahrhundert, hätten wir aufgrund seiner Gedrungenheit fast übersehen. Auf dem Weg zum Tambour des Torre Poniente, dem westlichen der beiden Türme, steigen wir durch die doppelte Verschalung der Kuppeln und weiter über eine steinerne Wendeltreppe bis auf die Plattform des Glockenturms. An den Pfeilern vorbei blicken wir in alle Himmelsrichtungen auf das beeindruckende Panorama einer maritimen Metropole.

Cádiz - 360° Panoramablick vom Torre Tavira

Kerzengerade verlaufen die Straßen in Cadiz, links und rechts flankiert von nicht enden wollenden Reihen verglaster Balkone. Der Raum war hier stets kostbar, daher finden sich nur wenige weitläufige öffentliche Plätze innerhalb der Stadt. So zum Beispiel die Plaza de España mit dem Cortez-Denkmal von 1912 in Hafennähe. Oder die Plaza Libertad mit dem markanten Gebäude des Edificio de Correos und dem Mercado Central. Unweit davon erhebt sich der Torre Tavira, der wohl bekannteste der Wachtürme. Auf seiner Spitze montiert die Camera obscura, ein hohler Kasten dessen eingefangenes Licht nach einem uralten Prinzip via Spiegelsystem auf eine nach innen gewölbte Fläche eine Etage tiefer projiziert wird. Die eingefangenen alltäglichen Szenen im abgedunkelten Raum erscheinen gestochen scharf und lebendig. Die verblüffend einfache Technik lässt eine 360°-Beobachtung und sogar Vergrößerungen zu.

Das Oratorio de San Felipe Neri in der Calle Santa Inés, eine von Gedenktafeln übersäte Barockkirche, war 1810-12 Tagungsort der Cortes, einer Ständeversammlung zur Ausarbeitung der ersten liberalen Verfassung Spaniens. Diese war zunächst nur von kurzer Gültigkeitsdauer, wurde jedoch in späteren Verfassungen zum Teil wörtlich übernommen.

Noch weiter westlich stoßen wir irgendwann auf das Gran Teatro Falla (1884), der im eigentümlichen Neo-Mudejar-Stil errichteten heimischen Spielstätte des Komponisten Manuel de Falla.

Cádiz - Jardines de la Alameda (111-jähriger Ficus macrophylla)

Wer eine der unendlich langen Straßenschluchten bis zum Ende läuft, landet in der Regel an einer Uferpromenade, z.B. in den Jardines de la Alameda, einer sehenswerten Grünanlage am nördlichen Ende der Halbinsel. Zwei bemerkenswerte 111-jährige Exemplare der Gattung Ficus macrophylla erscheinen wie aus einer anderen Welt und ziehen den Spaziergänger mit ihren ausladenden Armen in den Bann.

Das Viertel südlich der Alameda ist ‚berüchtigt' für seine Bars: Mitten auf der Calle Zorilla steht man vor den zum Teil offenen Ladenlokalen an Fässern oder Stehtischen, vertilgt Unmengen von Tapas, Bier und Wein und lässt alles fallen, was nicht mehr gebraucht wird.

Ein paar Straßenzüge weiter westlich erblicken wir mit dem Parque Genovés die größte und prachtvollste aller Gartenanlagen in Cadiz: Opuntien, Drachenbäume, Magnolien, Dattelpalmen – subtropische Gewächse aus allen Erdteilen sind hier heimisch.

Cádiz - Castillo de Santa Catalina

Die Westseite unterhalb des Castillo de Santa Catalina wird von der Playa de la Caleta, dem Stadtstrand dominiert. Auch hier haben zwei riesenhafte Gummibäume aus der Zeit um 1900 bis heute überdauert. Der Balneario de la Palma aus dem Jahre 1926 war bereits Schauplatz einzelner Szenen in einem James-Bond-Abenteuer. Den oberen Abschluss der kleinen Bucht markiert das erwähnte Castillo, gegen Ende des 16. Jahrhunderts nach einem anglo-holländischen Angriff per königlichem Dekret errichtet. Das Innere der sternförmigen Bastion sollte man nicht verpassen: Es verfügt über eine eigene Kapelle, ein Militärgefängnis und bietet vom Wehrgang malerische Motive vor dem Hintergrund des Atlantiks.